Mittwoch, 4. Dezember 2013

Die Gebrüder Coen und der Folk



In Inside Llewyn Davis wie in O Brother Where Art Thou erzählen Ethan und Joel Coen einen Teil der amerikanischen Musikgeschichte greifen dafür darauf zurück, was das Geschichtenerzählen so spannend macht: Mythen!

Ich verstehe O Brother Where Art Thou als eine Geschichte von den Ursprüngen der Folkmusik. Immerhin benutzen die Coen Brüder die Odyssee, den Ursprungsmythos des alten Griechenlands, und platzieren sie in den Bundesstaat Mississippi der 1930er Jahre. Die Protagonisten treffen, wie es sich für eine Odyssee gehört, auf Sirenen, Zyklopen und der Held muss am Ende die zurückgelassene Frau gegen andere Bewerber verteidigen. Aber auch die Mythen der Musik werden eingewebt. So heißt es von Robert Johnson, er habe dem Teufel auf dem Highway 61 seine Seele verkauft – bei Ethan und Joel Coen ist er er ein großer weißer Mann mit Schäferhund.


Mit der Lebenslust von Ganoven...

Und der Herr der Unterwelt hat seinen Part der Abmachung erledigt. So bringt Robert Johnson, im Film Thommy Johnson, den aus der Not geborenen Soggy Bottom Boys nicht nur die paar erwarteten schnellen Dollar, sondern gleich die Beliebtheit im ganzen Staat und am Ende gar die Freiheit. Ihr Lied: Man Of Constant Sorrow, ein alter Traditional. Von den Soggy Bottom Boys gesungen strotzt der Song nur so vor Selbstbewusstsein und Lebenslust. Ein Lied von Ganoven gesungen, die aus der Gefangenschaft geflohen sind, sich durch ganz Mississippi kämpfen, Abenteuer zusammen durchstehen und auf dieser Reise Freunde werden. Auch Bob Dylan hat es aufgenommen und veröffentlicht. Auf seinem Debütalbum von 1962 ist es noch ein Abschiedslied voller Leid, Selbstzweifel und Todessehnsucht.

I am a man of constant sorrow / I've seen trouble all my days [...] If I'd knowed how bad you'd treat me / Babe, I never would have come

Selten hat er es seitdem live gespielt, aber während weniger Konzerte auf einer Europa-Tour im April und März. Es ist nur zwei Jahre nach dem Film und nichts an diesen Live-Versionen erinnert an das Debütalbum Bob Dylan. Hier steckt die Energie der drei Ganoven in ihm – vielleicht auch etwas von Robert Johnson und seinem Schuldner aus der Unterwelt.
Inside Llewyn Davis spielt im Jahr bevor Dylan sein Debütalbum veröffentlicht: 1961. Der Film gewährt einen Einblick ins das Greenwich Village in dem Dylan groß geworden ist. Schon das Filmplakat erinnert an das Freewheelin' Album. Ein Junger Mann zu Fuß mitten auf der Straße unterwegs, langer Mantel, Kragen hochgeklappt den Kopf zwischen die Schultern gezogen. Auf dem Album war auch Blowin in the Wind – sein absoluter Durchbruch. Um diesen Ort, die Zeit und die Personen ranken viele Geschichten, die schon Sagen und Mythen gleichen. Unzählbar sind die Bücher darüber, nicht wenige legen ihren Fokus auf den wohl berühmtesten Künstler, der aus den Bars des Village hervorgegangen ist.


...und dem Schmerz der Resignation

Wir lernen Llewyn auf der Bühne kennen. Voller Leidenschaft und Schmerz, aber der Schmerz der Resignation, denn er spielt ohne Erfolg. Er zieht allein von Couch zu Couch und entweder ist er von seinen Gastgebern oder seine Gastgeber von ihm genervt. Zu gewinnen scheinen nur die anderen. Der lächerliche Soldat, sein Kumpel Jim, der nicht nur dabei ist ein Album aufzunehmen, sondern auch die Frau gewonnen hat, die Llewyn liebt: Jean. Ihre heimliche Geschichte ist vorbei noch bevor der Film beginnt und wir sehen auch hier nur die Scherben seines Seins. Sie hat ihm zwar noch einen Gig besorgt, aber mit dem Hinweis: Mach was daraus! Nutze es, es ist deine letzte Chance und auf mich kannst du nicht mehr zählen. Er spielt zwar noch einmal, aber nur aus Stolz, den Beutel für die Spenden lässt er schon gar nicht mehr durchs Publikum gehen, eine Gage gibt es nicht. Er ist bereits gescheitert als der Film beginnt – nicht nur musikalisch. Und so erklingt das „Fare thee well“ mit der nasalen Stimme des jungen Dylan am Ende wie eine Erlösung. 

Oh it's fare thee well my darlin' true / I'm leavin in the first hours of the morn' [...] It ain't the leavin' / that's a-grievin' me / but my true love who's bound to stay behind. 

Wie in O Brother Where Art Thou bestimmt auch in Inside Llewyn Davis der Mythos die Geschichte. Es ist der Mythos, der die Struktur angibt. Nur funktioniert es dieses Mal aber in dessen Verweigerung. Es wird nicht das Aufkommen des Folkrevival resümiert, nicht die hippe Szenerie des Villages, nicht der Weg von Bob Dylan durch New York. Der Niedergang des Sängers, der nicht an dem Aufstieg aller um ihn herum teilhat ist das Thema. Seine Sicht auf die Dinge bestimmt den Film. Und keiner der Auftritte, außer seinen eigenen, gefällt Llewyn. Inspiration soll Dave van Ronk gewesen sein. Für die meisten ein Unbekannter. Dylan war er ein Vorbild, ein Lehrmeister, wie er in den Chronicles Vol. I selber schreibt. Dylan singt "nur" den Soundtrack zu seinem Abschied. Sein eigener Anfang wird dabei nur vage angedeutet. 


Übrigens gibt es auch dieses Mal wieder einen Odysseus, aber Llewyn kann nicht mit ihm Schritt halten...

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